Nach der Meniskus-OP habe ich gesagt, dass es in der ersten Jahreshälfte keinen Ultra für mich geben solle. Das ich diesen Vorsatz so genau einhalten würde, war mir bis vor einigen Tagen noch nicht klar. Aber: Ein Ultra ist ein Ultra und bleibt ein Ultra, und wenn mein Lieblingslauf innerhalb Deutschlands was Neues zu bieten hat, will ich doch gern dabei sein. Also: Uffgerappelt un' mitgedappelt beim ersten 100-Meiler im Rahmen des Thüringen-Ultra.
Die erste Aufgabe ist die Wahl des Startzeitpunktes. Startzeiten gibt es stündlich, die Vorgabe lautet: Laufe so los, dass du zwischen 4:00 und 6:00 Uhr bei Kilometer 71 eintriffst, denn dort ist der Kilometer 10 der 100 Kilometerläufer (die um 4:00 und um 5:00 starten). Damit sollte gewährleistet werden, dass sich die Felder der beiden Läufe harmonisch vermischen.
Ich entschied mich für den vorletzten Start um 21:00. Damit durfte ich nicht schneller als 6er-Schnitt laufen. Klasse: mit vom Veranstalter eingebauter Handbremse sollte es mir gelingen, nicht zu schnell loszulaufen. Die anderen Starter dieser Gruppe haben diese Rechnung wohl nicht gemacht: Während sich mein Tempo auf den ersten Kilometern irgendwo bei 5:45 einpendelt, machen sich rund 12 Läufer auf und davon, darunter die erfahrenen und schnellen Thüringen-Ultra-Läufer Jörg Kupfer und Peter Kaminski. Schon bei Kilometer 7 bin ich hier und dort ganz allein auf der Strecke. Die ersten 70 Kilometer, die nur den 100-Meilen-Läufern vorbehalten sind, sind sehr schön ausgewählt. Die niedrigere Läuferzahl erlaubt es, mehr Traileinlagen einzubauen. Zunächst eher tiefe Treckerfurchen auf den Äckern, dann aber flowige Single-Trails im Wald, besonders erwähnenswert der Lauf auf einer Art Klippe oberhalb der Stadt / des Dorfes Wutha. Etwas übertrieben ist die Trailliebe vielleicht doch am Hörselberg, der steile Abstieg ist nach reichlich Regen in den letzten Tagen extrem glitschig. Ich überlege schon ein Stück des Weges auf dem Hosenboden zurückzulegen, vermeide es dann aber lieber. Mein geliebtes "10 kleine Negerlein"-Spiel beginnt bereits bei Kilometer 27. Einen Läufer überhole ich kurz vor der Versorgung, der nächste sitzt dort auf einem Stuhl und lamentiert über die schwere Strecke und Ausstieg. Ich bin dagegen bester Laune, und werde erst richtig warm. Meine Marathonzeit bei rund 4 Stunden: voll im Plan. Als ich die Versorgnung bei km 61 erreiche, sehe ich wie Jörg und Peter diese gerade verlassen. Diese sollten die führenden der 21:00 Uhr-Gruppe sein. Wir liefern uns bis km 85 das ein oder andere Scharmützel. Am Anstieg zur Ruhlaer Skihütte kommen die führenden 100 Kilomter-Läufer vorbei, Frank Hardenack und Mathew Lynas (beide haben diesen Lauf bereits gewonnen) haben schon das Messer zwischen den Zähnen. Kurz drauf kommt mein Freund Michael Vanicek. Er berichtet, dass in der 22:00 Uhr Gruppe mindestens ein sehr schneller Läufer dabei wäre, aber, dass wenn ich mich hier durchsetzen würde, meine Aussichten auf das Podest recht gut wären. An der Ruhlaer Skihütte liegt mein Drop-Bag. Jetzt bekomme ich endlich die guten Trailschuhe, und lege auch Stirnlampe und Getränkegürtel beiseite. Während meiner Umzugsaktion trifft Peter an der VP ein, und als dann Jörg kommt, bin ich fertig und sehe zu, dass ich weiterkomme. Das geht nun noch eine Weile so weiter, meist ist Peter knapp hinter mir, wobei wir Jörg ein größeres Stück abhängen. So treffe ich Peter auch an der Verpflegung bei km 112. Der Abschnitt von Floh-Seligenthal nach Finsterbergen ist der hügligste der ganzen Strecke. Peter geht gleich den ersten und längsten an, als gäb' es einen Bergpreis zu gewinnen. Ich gehe solche Stücke lieber, und bewahre mir noch einige Körner für folgene Flachstücke auf. Schon bald ist er weit aus der Sichtweite entschwunden. Der für mich wieder interessante Punkt ist Tabarz. Hinter dem VP am Kneipp-Tretbecken geht es noch eine kleine Anhöhe hinauf. Von dort kann ich bestimmt einen Kilometer der Strecke überblicken. Da hinten sehe ich tatsählich jemanden laufen, bin mir aber nicht sicher, ob das Peter ist. Außerdem beginnen genau hier die letzten 15 flachen Kilometer. Peter oder nicht, jetzt ist es an der Zeit, die gesparten Körner einzusetzen. Die Gangart wird schon mal leicht verschärft. An der nächsten VP bei km 150 berichtet die Helferin, der führende 100-Meiler sei erst 2 Minuten durch, und sähe nicht so gut aus. Als ich antworte,ach, ich wollte mich eigentlich nicht mehr besonders anstrengen, versteht sie die Ironie nicht. Fast bittend "Na, komm, nur noch 10 Kilometer". "Na klar, noch 'ne Cola, dann hol ich ihn mir." Tatsächlich habe ich meinen Konkurrenten einige Minuten später wieder im Blickfeld. Er wehrt sich nicht wirklich als ich vorbei gehe. An dem berühmten Party-VP komme ich schon mit einigem Vorsprung an. Die Gedanken gehen wieder zu den 22:00 Läufern. Wieviele sind wohl noch schneller als ich. Aber erst mal der Zieleinlauf. Ich treffe als erster Hundert-Meiler in Jubelpose ein und werde auch wie ein Sieger bejubelt. Der Sprecher fühlt sich bemüßigt meinen Enthusiasmus zu dämpfen, aber mir ist der Sachverhalt bekannt. Schon 22 Minuten nach mir trifft Christoph Lux ein, der damit also 38 Minuten vor mir liegt. Als dann endlich die Stunde nach meinem Eintreffen rum ist, darf ich mich immerhin über den dritten Platz freuen.
Mensch bist du schnell unterwegs gewesen. Hört sich so cool an :Die ersten 70km nicht über 6er Schnitt laufen mit HAndbremse :-)
AntwortenLöschenTolle unglaubliche Leistung!
super, Gratulation, Gerald! Naja, Christoph ist bei uns in Augsburg im Verein, da war klar, das wird schwierig :-)
AntwortenLöschenJa, Danke, der Sieg sei dem Christoph von Herzen gegönnt. Für mich ist der Lauf mit dieser Platzierung ein absoluter Erfolg. Hatte ich doch "nur" eine Marathon- statt einer Ultra-Vorbereitung und bin das Unternehmen ziemlich spontan und ebenso entspannt angegangen. (Vielleicht war das schon das ganze Erfolgsrezept)
AntwortenLöschenGerald