Sonntag, 5. August 2012

Wanderzirkus im Laufschritt

Nach drei Jahren stelle ich mich mal wieder einem Ultra-Etappenlauf, zweimal war es der Swiss Jura Marathon diesmal ist's der Baltic Run, ganz flach (so denke ich) von Berlin an die Nordsptitze von Usedom.
Fünf Etappen stehen auf dem Programm, bei 325 km Gesamtdistanz also täglich rund 65 Kilometer.
Die Namen in der Meldeliste sind wohlklingend. Rene sollte kaum bis gar nicht zu schlagen sein, Jan kann auf tolle Ergebnisse beim Spartathlon verweisen, Jobst auf selbige beim Trans Gaule, Stefan, Axel und Holger standen bei dieser Versanstaltung schon auf dem Treppchen. Also gilt es, mich nicht zu allzu flotter Gangart verleiten lassen, aber auch nichts zu verschenken, was ich später wieder mühsam hereinholen müsste. Nach dem Start am Berliner Dom geht es erst mal auf eine ganz lange Ausfallstraße. Heute sind wir nicht so kleinlich, was die roten Ampeln betrifft, in Japan hieß es "Rot ist Rot", heute heißt es "Frei ist Frei". Nach etwas hin und her finde ich mich in einer Dreier-Gruppemit Christian und Jobst wieder. Christian als waschechter Berliner weiß eine Menge über die Plätze an denen wir vorbeikommen, und ist in der Laune uns an seinem Wissen teilhaben zu lassen. An seiner ehemaligen Grundschule kommen wir aber erst am zweiten Tag vorbei. Das schöne an Berlin, an der Stadtgrenze  ist die Stadt auch gleich zu Ende. Noch durch Bernau hindurch, dann wird es schon deutlich ländlich. Wir treffen unterwegs etliche Radfahrer, die zu unserem Etappenziel, dem Werbelinsee, oder gar zu unserem Endziel Usedom unterwegs sind, fast schon mehr als Autos unseren Weg kreuzen. Ab Kilometer 40 betrete ich Neuland, an dieser Versorgung bin ich vor zwei Jahren ausgestiegen. Diesmal geht's mir an dieser Stelle prächtig und nachdem wir bereits Jobst abgehängt haben, hat nun auch Christian zunehmend Probleme das Teompo zu halten.Nach der letzten Versorgung biege ich allein in den Wald ein. Hier gibt es noch einmal einige Buckel zu überschreiten, und als ich auf den letzten Kilometern etwas nachlasse, kommt Jan um die Ecke zu zieht kocker an mir vorbei. Damit lande ich für heute auf Platz fünf. Das ist ein Ansatzpunkt, da kann man shauen, was draus wird. Die erste Nacht findet in einem Hotel statt, da gibt's gemütliche Betten, dafür ist die Küche mit dem heuschreckenartigen Auftritt der Ultraläufer etwas überfordert, und es dauert etwas länger bis alle Mäuler gestopft sind.
Am folgenden Tag bin ich wieder erstmal wieder mit Christian unterwegs, zu uns gesellt sich Marcell, der gestern zurückgehalten hat. Der schwäbelt wie in der "Wir können alles .." Werbung, und so bin ich etwas erstaunt, als er erklärt, "Ah, noi, isch bin ja gebürdisch von hier". Wie schon gestern hat sich Rene vom Start an verabschiedet. Stefan und Axel machen dagegen keine Anstalten sich deutlich abzusetzen. An der zweiten Versorgung kommen wir schon als Fünfergruppe an. Das passt Stefan nicht so sehr. er zieht an einer kleinen Steigung deutlich an, ich bemühe mich ihn nicht zu weit erfliehen zu lassen, und bin schon allein auf dem dritten Platz unterwegs. So kann ich mich diesmal etwas eher und intensiver mit mir selbst und meinem Tempogefühl beschäftigen. Ich finde es sehr angenehm, es mal einfach für mich rollen lassen zu können. In hinteren Teil der heutigen Etappe kommen zwei berüchtigte Bahnübergänge, die sich auch schon mal für längere Zeit geschlossen bleiben. Jan zieht wieder flott an mir vorbei, um sich direkt nach der ersten Schranke in die Büsche zu schlagen. Danach laufen wir ein kurzes Stück zusammen, er weiß zu berichten, das Axel sich heute einen größeren Rückstand einfängt. Dann läuft auch Marcell wieder zu uns auf, und beide machen sich für mich vom Acker. Wieder zeigt die Endabrechnung des Tages Platz 5 für mich. Bei der Grillerei direkt an der Sporthalle bleiben diemal keine Wünsche offen. Für den Tag 3 soll es nun richtig Sommer werden, 3 zusäzliche Waserposten werden von der Organisation  eingerichtet. Eine sehr gute Entscheidung wie sich auf der Etappe zeigen soll. Zum Loslaufen haben wir eine etwas andere Gruppe der üblichen Verdächtigen. An der ersten Versorgung sind mir Jan und Stefan etwas zu schnell fertig, dennoch mache ich mich hinterher, nach der zweiten Versorgung laufe ich gar ein Loch vo ca. 50 Metern zu. Dann lasse ich die anderen laufen, um mir selbst eine ordentliche Versorgungs- und Verschnaufpause zu gönnen, zumal ich auch schon meinen Bedarf für unterwegs nachfüllen muss, um die deutlich höheren Temperaturen durchzustehen. Schatten ist bei diesem Lauf  ohnehin eine Seltenheit. Den Höhepunkt stellt eine mehrere Kilometer lange Gerade entlang einer Kaserne samt angegliederten Bombodrom. (Ich befürchte schon ein aufziehendes Gewitter, aber es sind nur unsere Vaterlandsverteidiger.) Nach der Kasernenpassage verspricht Wasser-Extraposten Jaqueline, dass zwei  Kilometer später wieder Bäume kämen. Das tun sie aus, nur ihr Schatten fällt gerade nicht auf den Radweg, Schade eigentlich. Mit meinem dritten Platz 5 am dritten Tag brauch' ich meinen Namen nicht lange in der Gesamtliste suchen.
Am 4.Tage sorgt es für etwas Unmut, dass der Start der schnelleren Gruppe noch eine halbe Stunde nach hinten verlegt wird. Der Grund: heute geht es über die Zecheriner Brücke auf die Insel Usedom. Diese hat feste Brückenzeiten, und ist dazwischen für längere Zeit hochgeklappt. Also gibt's keine Diskussion "Watt mutt, dat mutt", sacht der Nord-Deutsche. Los laufen wie gehabt: mit Jan und Stefan bis zur zweiten Versorgung, danach die beiden noch eine Weile auf Sichtkontakt vor mir. Marcell läßt schon früh abreissen. Meistens kommt er nach einer Pinkelpause schnell wieder auf. Diesmal bleibt er aber hinten. Sehr hübsch geht es heute entlang der Rosenhäger Beek mit viel Schilf und  Wasservögeln. Doch leider ist auch bzw. gerade hier Schatten Fehlanzeige. Dazu kommt, dass wegen einer Sperrung der Bundesstraße ein VP nicht wie geplant aufgebaut werden kann. Bis ich komme ist ein Ersatzposten zur Stelle, nur die Schnelleren der Frühstarter gehen an einer Stelle leer aus, werden dann per Fahrradbote mit zusätzlichem Wasser versorgt. An den Regulären VPs nutze ich hauptsächlich die Schwämme, wenn ich wieder loslaufe, bin ich nass wie ein Pudel, das hält aber zumeißt kaum zwei Kilometer vor. Ein Stück nach der besagten Klappbrücke bekomme ich Gesellschaft von Jobst und da es nicht mehr weit bis zum nächsten VP ist treffen wir beide dort gemeinsam ein. Anschließend wollen wir gemeisam los, aber das ist erstmal gar nicht so einfach. Es dauert ein wenig, bis wir zu einem gemeinsamen Schritt finden. Dann beschließen wir aber gemeinsam bis ins Ziel zu laufen. Irgendwie wird mal der eine ein wenig schneller, dann der andere. Als  Ergebnis sind die letzten 5 Kilometer dieser Etappe die schnellsten des ganzen Laufes.
Vor der letzten Etappe stehe ich weiter auf Rang 5. Nach vorne wie nach hinten habe ich eine Viertel Stunde Luft. Allerdings habe ich auf Marcell, der vor mir steht, schon bei der letzten Etappe 15 Minuten abgenommen. Der hinter mir liegende Christian schlägt mit dem Tagesgast Sascha ein höhes Tempo an, entschschwindet schnell meinem Blick. Er müsste mir aber fast 3 Kilometer auf den 60 Tageskilometern abnehmen, dass halte ich für sehr unwahrscheinlich. Auf der Insel laufen wir quasi an der Küste entlang, jenseits des Dammes haben wir allerdings nur selten den Blick aufs Meer. Dabei ist es angenehm schattig und erstaunlich hügelig. Durch die Badeorte Ahlbeck, Heringsdorf und Ahlbeck läuft eine einzige Promenade. Bei dem warmen Wetter mitten in den Ferien ist diese mit Touristen zu Fuß und mit dem Rad übervölkert. Zu Dritt kommen wir besser durch. Michael und Jobst sind hier meine Begleiter. Am Ende der Promenade wird am VP auch Sekt gereicht, ich schau mal lieber unauffällig auf die Durchlaufliste. Nummer 55 (Christian) ist gerade 5 Mintuten vor uns hier angekommen. Damit kann ich mich schon ein wenig weiter entspannen, auch Jobst, der noch immer Druck macht, kann ich für die letzten 30 Kilometer ziehen lassen. Ich gönne mir dann sogar noch einen mittelschweren Verläufer, der mich 4-5 Minuten kostet. Das liegt aber tatsächlich an meiner nun nachlassenden Konzentration, die Wegmarkierung ist Wirklich gut, ich wüsste nicht, dass sich sonst irgendwer verlaufen hat. So nehme ich es mit Humor und schiebe es auf Angie, die mir mit ihren Sommerkleid die Sinne verwirrt hat. Trotz alledem hole ich Christian wieder ein, habe aber nun Bedenken, wie weit Jobst mich wohl abhängen kann. Die letzten 5 Kilometer laufen zum Großteil über einen sehr sandigen Weg. Zumeist gehts durch tiefen, lockeren Sand, manchmal findet man auch fest Stellen, die dem Schuh den benötigten Wiederstand leisten. Großes Willkommen dann endlich am Campingplatz in Karlshagen. Hier sind Zielbogen und Ecki's Tonanlage aufgebaut. Dazu gibt's das verdiente Zielbier. Über den Damm kann man sich endlich in die Ostsee stürzen, ich begüge mich jedoch damit mir die Beine zu kühlen. Als ich vom Strand zurückkehre, trifft gerade erst Marcel ein, schau an, er hat die 15 Minuten gegen mich verloren und rücke noch vor auf Platz 4. Für den Abend ist die Siegerehrung angesagt, zuvor gibt es noch eine geheimnisvoll angekündigten Privattermin, zu dem wir eingeladen sind. So nehmen wir noch an der Hochzeit von Rene und Angie teil, dann Herzlichen Glückwunsch. Nach ausgiebigem Büffet samt Hochzeitstorte zeigt das traut Paar jedoch wenig Ehrgeiz den Tanz zu eröffnen.