
Der rote Faden, der sich hier durch unser schönes Nachbarland zieht, ist 350 km lang, und soll innerhalb von 7 Tagen aufgerollt werden. Dieser Aufgabe stellen sich heuer 60 Laufverrückte, die Deutschen stellen mal wieder die größte Gruppe, dazu kommen noch Spanier, Dänen, Niederländer, sogar Mexiko und Kanada sind dabei. Daneben gibt es einen "Bambini-Lauf" mit halber Tagesration, bei dem weitere 15 Aktive gemeldet sind. Am Vorabend trifft man sich in St. Cerque, zum Kennen lernen bei einem gemütlichen Abendprogramm. Der Ungar Nemeth Csaba hat diesen Lauf in den vergangenen zwei Jahren gewonnen, und gilt als Favorit. Die Tatsache, dass ich trotz meiner Arm-Bandage an den Start gehen will, wird mehrfach hinterfragt, aber ich bleibe stur "Ja, ich will, und ich werde!"
TAG 1: Dieser beginnt mit der Busfahrt vom ersten Zielort direkt an das Ufer des Genfer Sees.
Die große Fontaine am Beau Rivage wird uns zu Ehren eine Stunde früher als gewohnt in Gang gesetzt, damit wir diese noch vor dem Start bestaunen können. Aber schon geht es los, zum Einrollen auf 20 flachen Kilometern. Hier bin ich mit dem Spanier Banard Zubillaga und dem Dänen Kartheeban Nagentiraja (Der sieht genauso dänisch aus, wie sein Name klingt - Er hat indische Wurzeln) unterwegs. Doch als es dann in den Berg geht, sind die beiden schneller weg, als ich gucken kann. Der Aufstieg ist super knackig, mit 1.100 Metern auf 10 km der dickste Brocken im gesamten Streckenverlauf, aber immerhin ist der der Weg halbwegs bequem zu beschreiten, dicke Steine gibt es erst im oberen Bereich, die glatten und wurzeldurchsetzten Strecken sind heute noch nicht im Angebot. Auch bei dem folgenden Abstieg gibt es für mich eine erste Kostprobe, mit der ich mich an die steinigen Alpin-Pfade herantasten kann, während andere Läufer mit mehr Berg-Erfahrung an mir vorbeitanzen. Am Nachmittag setzt ein ordentlicher Dauerregen ein, der aber nur die langsameren Läufer trifft. Für mich gibt es nach der ersten Etappe einen trockenen Zieleinlauf und obendrein den guten 7. Platz für mich zu verbuchen.
TAG 2: Dieser Abschnitt soll mit 45km Länge und nur 1.300 Steigungsmetern der Leichteste sein. Nach der frischen Bewässerung sind die Wege aber schön glatt und seifig. Oft geht es quer über Kuhweiden, die Knöcheltief unter Wasser stehen. So bleibt die Uhr am Ende sogar einige Minuten später stehen, als am gestrigen Tage. Zu Beginn bin ich ein ganzes Stück mit dem Schweizer Felix Benz unterwegs, aber es wird mir bald zur Gewohnheit: Die Leute mit denen ich im normalen Gelände locker mithalte, von denen kann ich mich verabschieden, wenn die Landschaft mit ein paar Gemeinheiten gespickt wird. Dafür kann ich wieder Boden gut machen, wenn ich auf glatten Wegen meine (in diesem Feld) gute Grundschnelligkeit ausnutzen kann. Leider ist es nicht an jedem Tag der Fall, dass solche Streckenabschnitte überhaupt vorhanden sind. Heute stehe ich an Position 8 in der Tagesliste, dennoch komme ich in der Gesamtwertung einen Platz vor und stehe nun auf 6. Heute gibt es den Regen erst später am Abend als alle trocken im Ziel sind.
TAG 3: So langsam geht mir der Tagesablauf in Fleisch und Blut über: Früh aufstehen -
Frühstücken - Sachen packen - Laufen - Essen - Massage - Essen - Ruhen - Abendessen - noch ein Bierchen - und ab in den Schlafsack. So stellt man sich doch den Wellness-Urlaub vor. Heute mit der längsten Etappe von 56 km sind die übrigen Tagesordnungspunkte leicht zusammengerückt. Immerhin gibt es auf der ersten Hälfte eine recht laufbare Strecke. Am mittleren Posten komme ich gerade rechtzeitig zum Start der Bambini-Läufer an. Nachdem ich Verpflegung gefasst habe, überhole ich einen großen Teil der Halbdistanzler. Als wir aber den Gipfel des Le Suchets überklommen haben kommt ein für mich ganz böses Stück: Ganz steil bergab, Steine, Wurzeln nasser Lehmboden, das heißt wieder gaaanz vorsichtig. Die ersten 3 Frauen der 175-km-ies, die noch zusammen laufen, lasse ich gern passieren. Aber natürlich nur für kurze Zeit, der Weg wird 3 km später wieder ein Weg, und ich rolle locker an den Mädels vorbei. Nur kurze Zeit später gerate ich ein wenig ins Träumen, laufe an einer Weg-Biegung vorbei. Bald stehe ich auf einem Bauernhof, den ich nur auf dem gleichen Weg verlassen kann, auf dem ich gekommen bin. Grrmpf, retour. Als ich zurück auf Strecke komme, wen habe ich wohl wieder vor mir ?? Also wieder vorbei an den Mädels. Was diesmal nicht so einfach ist, denn schon geht es in den Anstieg zum Chasseron, wo Lidia mit mir mithält, und sogar wieder etwas Abstand gewinnt. Nach dem Gipfel (toller Blick in die Ebene) noch über ein paar Wiesen und Weiden, dann endlich wieder Wirtschaftsweg, so dass ich die gewünschte Reihenfolge herstellen, und bis ins Ziel halten kann. TAG 4: Das wird meine persönliche Königs-Etappe: Auf der ersten Hälfte zwei richtig dicke Anstiege, dazwischen der Abstieg in das Val de Travers. Seit 3 Uhr Nachts prasselt der Regen, und hört exakt mit den Startschuß wieder auf. Nix aber auch gar nix mit Wegen, die mir entgegenkommen. auf dem ersten Anstieg hole ich mir mühsam einige Minuten Vorsprung vor
TAG 5: Das Schlimmste haben wir eigentlich jetzt schon hinter uns: Natürlich bieten auch die letzten 155 km der Veranstaltung noch einige Berge mit unwegsamen Passagen. Aber zum einen sind die schweren Passagen nicht mehr so extrem, zum anderen stellt sich jetzt sogar bei mir ein Übungseffekt ein, und komme etwas besser durch diese Stücke. Und nicht zu Letzt gibt es
endlich mal eine 24-stündige Regenpause, die den Wegen merklich gut bekommen. Auf der ersten Hälfte ist die heutige Strecke richtig griffig, man weiß schon vor einem Schritt, das dieser nicht im knöcheltiefen Schlamm (oder Kuhfladen) endet. Doch das ist zu früh gefreut. Direkt am höchsten Punkt der heutigen Strecke bekommen wir einen kräftigen Schauer ab, und hinter dem Chasseral hat es wohl, den Wegen nach zu urteilen, noch mehr geregnet. Also wieder durch die Matsche und über den glitschigen Lehm. Bis zur dritten Verpflegung haben meine Socken längst die gewohnte Feuchtigkeit und den braunen Farbton. Dort läuft Samuel Arroyo zu mir auf, der hatte mich auf den letzten Etappen in der Gesamtwertung überholt und ich wollte doch heute wieder kontern. Daher haue ich auf dem Weg hinab nach Biel noch mal ordentlich auf den Putz. Gute Wege; bergab, aber nicht zu steil erlauben mir noch ein paar flotte Kilometer. Direkt vor Biel geht es noch durch die Taubenloch-Schlucht. Schön zum angucken, aber auch nett, dass ein weiterer Schauer mich hier kaum erreicht, und ich halbwegs trocken die 100km-Stadt erreiche. TAG 6: Die Nacht mit echten Bettgestellen hat eigentlich keiner als besondere Annehmlichkeit
TAG 7: Kurze Bestandsaufnahme vor dem letzten Lauf: An dem 6. Platz, den ich innehabe scheint nicht viel zu rütteln zu sein: Jörg ist eine halbe Stunde vor mir, keine Chance für mich.
Fotos von Felix Benz, Jan Bergmann und Arnold van der Kran
Hi Gerald,
AntwortenLöschendas ist wirklich ein ausführlicher und sehr schöner Bericht!
Schön, dass ich dabei sein durfte!
KEEP ON RUNNING
TOM
Respekt. Das ist schon ein stolze Leistung! Hut ab!
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